2. Teil
Durch Erbstreitigkeiten, Erbteilung und getrennte
Hofhaltungen, die sehr kostspielig waren, verfiel die Burg in den
folgenden Jahrhunderten mehr und mehr, bis Graf Heinrich IV. zu
Sayn, der einstige Domdechant zu Köln und mächtige Vorstand des
gesamten Domkapitels, der Geschichte wieder neuen Auftrieb gab.
Er war ein verschlossener Mann, der die Ruhe suchte und dem
die Abgeschiedenheit Friedewalds gerade als der rechte Ort für
sein Alter erschien. Da ihm die alte Burg, die im unteren Teil
der Ortschaft Friedewald, am sogenannten Niederwald, lag, nicht
repräsentativ genug war, errichtete er, wie bereits erwähnt,
das Hohe Haus mit seiner imponierenden Renaissance-Fassade. Die
Bürger der Stadt wurden zu Hand- und Spanndiensten herangezogen.
Die Basaltlava, mit der die Vorderfront verkleidet ist, mußte
mühsam auf Fuhrwerken aus der Eifel herbeigeschafft werden.
Es bleibt erstaunlich, mit welcher Feinheit und technischer
Meisterschaft die künstlerischen Profile aus diesem so schwer zu
verarbeitenden Material geschnitten wurden. Beispiele dafür sind
das Herkules-Motiv (Herkules mit den Säulen und Herkules den
Eber bändigend), die Wappen des Grafen Heinrich und seiner
Gemahlin Jutta von Mallingkrodt, die Löwen- und Fratzengesichter
und die Figuren in den Muschelnischen, die (von links nach
rechts) die fünf Kardinaltugenden Weisheit, Gerechtigkeit,
Wahrheit, Mäßigung und Stärke darstellen.
Als Graf Heinrich IV. im Jahre 1606 starb, hinterließ er
keine direkten Erben. Als Erbin hatte er seine Nichte, Anna
Elisabeth, die Gemahlin des Grafen Wilhelm von Sayn-Wittgenstein,
eingesetzt. Der Wittgensteiner maß Friedewald große Bedeutung
zu und ließ das Schloß, das auch noch durch einen Brand
gelitten hatte, erneuern und seine Befestigungen verstärken.
Kaum waren die Arbeiten beendet, begann der Dreißigjährige
Krieg mit seinen zahllosen Wirren und Schrecknissen, die auch
Friedewald heimsuchten. Zu diesen Nöten kamen noch blutige
Erbfolgestreitigkeiten, die fast ein halbes Jahrhundert dauerten.
Weder der Kaiser noch Kur-Trier wollten den Grafen als
rechtmäßigen Erben der Saynischen Lande anerkennen. Auch sein
Nachfolger, Graf Ernst, konnte trotz aller Proteste und Prozesse
die Anerkennung seiner Grafschaft nicht erlangen. Er starb früh
(1623), aber seine mutige, hochherzige und resolute Gattin
Luise-Juliane führte den Kampf um ihren Besitz weiter. Nach
vielen Fehlschlägen gelang es ihr schließlich, sich mit ihren
beiden Töchtern in Friedewald niederlassen. Vom Kaiser Ferdinand
II. erwirkte sie ein Protektorium (1639), womit dieser sie, ihre
Kinder, Räte und deren Angehörige in seinen und des Heiligen
Deutschen Reiches Schutz nahm. Zum Zeichen dessen gestattete er
den Anschlag des Kaiserlichen Adlers und des Reichswappens, die
bis heute noch am vorderen Schloßtor zu sehen sind.
Etwa ab 1750 geriet das Schloß immer mehr in Verfall. Nach
zahlreichen Besitzerwechseln ging es im Jahre 1815 in des
Eigentum Preußens über. Die Mauern waren zu dieser Zeit bereits
zerbröckelt. Im Schloß richtete man das Königliche
Kreisgericht ein, im Hohen Haus befanden sich die Registratur und
Gefängnis. Das Haus bekam ein häßliches Walmdach. So blieb es
bis zum Jahre 1865, in welchem der damalige Kreisrichter sein Amt
nach Daaden verlegte. Das Notdach über dem Haus wurde
abgebrochen. Die Flügelbauten waren herrenlos. Die Bewohner des
Ortes benutzten das Schloß als Steinbruch und rissen an Treppen,
Kaminen, Gesimsen usw. heraus, was sie nur brauchen konnten. In
den Wendeltreppen wimmelte es, wie berichtet wird, von
Fledermäusen.
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